Das in 2013 in Czernowitz gegründete Paul-Celan-Literaturzentrum ist eine Kulturinstitution, die sich der Popularisierung der multinationalen und vielsprachigen Literatur der Bukowina widmet, vor allem der deutschsprachigen. In der sowjetischen Zeit präsentierte man die Literatur dieses Landstrichs sehr einseitig – man sprach im besten Falle von den klassischen ukrainischen Autoren wie Jurij Fedkowicz oder Olga Kobylanska, deren Werk nur im völkischen Diskurs und durch das soziale Prisma analysiert wurde, wobei man die Literatur nach 1944, die von Vertretern des sog. „sozialistischen Realismus“ produziert wurde, als Blüte und Gipfelpunkt der literarischen Entwicklung darstellte. Weder deutsche noch rumänische, polnische oder jüdische (vor allem jiddischsprachige) Autoren der Bukowina wurden dabei berücksichtigt. Daher blieben solche Namen, wie Karl Emil Franzos, Mihai Eminescu, Alexander Morgenbesser, Alfred Margul-Sperber, Georg Drozdowski, Rose Ausländer, Moses Rosenkranz, Alfred Kittner, Paul Celan, Gregor von Rezzori, Selma Meerbaum-Eisinger, Manfred Winkler, Ilana Shmueli, Elieser Stejnbarg, Itzig Manger, Moshe Altmann, Josef Burg, Aharon Appelfeld u. a., die seit langem im Westen geschätzt sind, in ihrer Heimat völlig unbekannt. Die Gründung des Paul Celan-Literaturzentrums, das als Analogon der in vielen europäischen Ländern höchst populären Form eines Literaturhauses betrachtet wird, soll diese historische Ungerechtigkeit ausgleichen.
Das Zentrum ist als Sammel- und Forschungsstelle sowie Präsentationsort für vergessene oder aus ideologischen Gründen verschwiegene Literatur der Bukowina gedacht. Es wird über eine Bibliothek der Primär und Sekundärliteratur der Bukowiner Dichter, eine Dokumentation über ihr Leben und Werk, eine Phono- und Videothek, ein Literaturarchiv, einen Konferenzsaal verfügen. Hier finden Lesungen, Tagungen und Buchpräsentationen, wissenschaftliche Vorträge, Ausstellungen und andere kulturelle Veranstaltungen statt. Das Zentrum soll mit moderner Computertechnik mit digitalen Programmen ausgestattet sein, um Information über die Bukowiner Dichter in möglichst kompakter und leicht zugänglicher Form anzubieten. Eine Dauerexposition zu literarischer Tätigkeit der Czernowitzer Autoren, die in verschiedenen Sprachen schrieben, soll mit wechselnden Ausstellungen kombiniert werden, die literaturbezogene Themen behandeln.