(eigentlich Paul Antschel/Ancel, 23.11.1920 Czernowitz – vermutlich 20.4.1970 Paris) der bedeutendste Avantgarde-Lyriker deutscher Sprache. Wuchs als einziges Kind jüdischer Eltern in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Sein Vater, zionistisch orientiert, war Makler im Brennholzhandel. Von der Mutter ererbte er die Liebe zur deutschen Sprache und Kultur. In seiner Heimatstadt besuchte Celan hebräische Volksschule und rumänisches Gymnasium. Das 1938 begonnene Medizinstudium im französischen Tours wurde durch den Krieg unterbrochen. Der Aufenthalt in Frankreich trug zur Bekanntschaft mit der Poetik des französischen Surrealismus bei, der seine frühen Gedichte wesentlich beeinflusste. 1939 schreibt er sich an der Universität Czernowitz für Romanistik ein. Nach dem Einmarsch der Roten Armee 1940 setzt er seine Romanistikstudien an der sowjetukrainischen Universität fort, beginnt Russisch zu erlernen. Um diese Zeit knüpft Celan Bekanntschaft mit der Schauspielerin des jiddischen Theaters Ruth Kraft (Lackner), der er seine Gedichte widmet. Im Oktober 1941 wird die Familie ins jüdische Ghetto zurückgedrängt, im Juni 1942 erfolgt die Deportation seiner Eltern nach Transnistrien, bald darauf ihr Tod. Er selbst wird in ein Arbeitsbataillon im moldauischen Tăbăreşti bei Buzău gesteckt. 1944 kehrt Celan nach Czernowitz zurück, nimmt sein Studiums an der Universität (Anglistik) wieder auf. Im Juni 1945 übersiedelt er nach Bukarest, wo er eine Stelle als Lektor und Übersetzer im Verlag „Cartea Rusă“ („Das russische Buch“) findet, der sich um die Verbreitung russischer Literatur in Rumänien bemühte. Aus dieser Zeit stammen Übersetzungen russischer Literatur ins Rumänische (A.Čechov „Die Bauern“, M.Lermontov „Ein Held unserer Zeit“, K.Simonov „Die russische Frage“). In Bukarest pflegt er enge Kontakte zu Alfred Margul-Sperber, Petre Solomon und dem Kreis rumänischer Surrealisten. Im Dezember 1947 entscheidet sich der junge Lyriker für die Flucht über Ungarn nach Wien. Empfehlungsbriefe seines Förderers Margul-Sperber an Otto Basil und Max Rychner öffnen ihm die Seiten der Zeitschrift „Plan“ (Wien) und der Zeitung „Die Tat“ (Zürich), die zum erstenmal im deutschsprachigen Raum seine Gedichte bringen. In Wien lernt er Ingeborg Bachmann kennen, mit der ein Liebesverhältnis entsteht. Den Widerhall dieser Beziehung findet man in Gedichten beider Autoren sowie im „Malina“-Roman von Bachmann. In Wien befreundet er sich mit dem surrealistischen Maler Edgar Jené sowie mit den jungen Autoren Milo Dor und Klaus Demus. Als 1948 sein erster Gedichtband „Der Sand aus den Urnen“ im Wiener Sexl-Verlag herauskommt, den er bald darauf wegen vieler sinnentstellenden Druckfehler einstampfen lässt, ist er schon in Paris. Hier beginnt er im Herbst 1948 ein Studium der Germanistik und der allgemeinen Sprachwissenschaft, das er im Juli 1950 abschließt. Der Kontakt zu dem schwerkranken deutsch-französischen Dichter Iwan Goll mündete nach dessen Tod in Celans Diffamierung und Plagiatsanklagen seitens seiner Witwe („die Goll-Affäre“). Im Herbst 1952 nimmt Celan gemeinsam mit Ingeborg Bachmann an der Tagung der Gruppe 47 in Niendorf teil, die für ihn eine große Enttäuschung war. Noch im selben Jahr erscheint in Stuttgart der zweite Gedichtband „Mohn und Gedächtnis“, der seinen Durchbruch bedeutete. Ende 1952 heiratete er die französische Graphikerin Gisèle Lestrange, 1955 wurde der Sohn Eric geboren. Seit 1959 bis zu seinem Freitod in der Seine war Celan Lektor für deutsche Sprache und Literatur an der École Normale Supérieure. Sein Leben in Paris charakterisiert sich einerseits durch hohe literarische Leistungen, die in Gedichtbänden „Von Schwelle zu Schwelle“ (1955), „Sprachgitter“ (1959), „Die Niemandsrose” (1963), „Atemwende“ (1967), „Fadensonnen“ (1968), „Lichtzwang“ (1970), „Schneepart“ (1971) sowie in exemplarischen Übersetzungen von über vierzig Dichtern aus sieben Sprachen verkörpert sind, welche im Bremer Literaturpreis (1958) und Georg Büchner-Preis (1960) gipfelten, andererseits durch die tiefe Diskrepanz zwischen seiner deutschen kulturellen Mentalität und jüdischen Existenz, was zu schweren psychischen Depressionen und wiederholten Klinikaufenthalten führte. Eines der schmerzlichsten Probleme seiner Dichtung ist der Zweifel an der Möglichkeit, das Geschehene (Holocaust) in Worten zu fassen, „die sprachliche Sagbarkeit des Erfahrenen schlechthin“ (W. Emmerich). Diesen Zwiespalt vermochte auch seine Reise nach Israel im Herbst 1969 nicht mehr zu überbrücken. Der „stockende“, „stotternde“ Sprechduktus seiner späten Gedichtsammlungen, ihre Hermetik und explizite Zitatstruktur, das Zurückziehen in die Bilderwelt anorganischer Natur waren Symptome einer tiefen Krise, die ihn in den Selbstmord trieb. 1992 wurde an seinem Geburtshaus in der ehemaligen Wassilko-Gasse (heute vul. Saksahanskoho) eine Gedenktafel und in der Hauptgasse (vul. Holovna) ein Denkmal für den Dichter enthüllt (der Bildhauer Iwan Salewyč).